Sprechen Sie Mensch? – Rita Carter versucht zu vermitteln, wie wir unser Gegenüber besser verstehen können
Ich muss zugeben: Anfangs konnte mich das Buch nicht überzeugen. Auf mich wirkte das Ganze ziemlich unausgegoren, nach den ersten Kapiteln, in denen zahlreiche Behauptungen getroffen worden waren, kam es immer wieder zu einschränkenden Aussagen wie: „Die Wissenschaft der Physiognomie ist noch jung, die Forschung lückenhaft, die Ergebnisse komplex. […] Wir sollten uns also hüten, vom Aussehen einer Person direkt auf ihren Charakter zu schließen!“ (24) Abgesehen davon, dass die Physiognomik schon in der Antike hip war und eigentlich eine Pseudowissenschaft ist, sollten wir uns natürlich davor hüten, vom Aussehen einer Person auf ihren Charakter zu schließen. Auch in puncto „Augen“ gibt es zunächst eine Menge Aussagen und anschließend eine Relativierung: „Allerdings sollte man solche Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Augen und Verhalten mit Vorsicht behandeln!“ (31) Auch grobe Lektoratsfehler wie „nimmt war“ statt „nimmt wahr“ (17 und 44) fand ich ärgerlich. Doch ab einem gewissen Punkt fand ich die Lektüre doch ganz interessant.
Es ist freilich nur eine Einführung in ein umfangreiches Thema. Das Konzept („visuelle Reihe“) reduziert auch die Textmenge enorm – oft gehen ganze Seiten für Illustrationen (auch ohne konkrete Inhalte) oder großflächige Zitate drauf. Natürlich lockert das die Sache auch auf, aber der Informationsgehalt ist deutlich geringer als bei einem herkömmlichen Buch.
In fünf Kapiteln und 20 Lektionen erhält man einen groben Überblick zu den Themen „Gesicht“ (Form, Augen, Signale), „Emotionen und ihr Ausdruck“ (Makro- und Mikroexpression, Körpersprache und Kleidung), „Persönlichkeit und Wesen des Menschen“, „Kommunikation und Beeinflussung“ sowie in den Bereich „Gruppen verstehen“.
Da ich selbst bereits Workshops zum Thema Körpersprache gegeben habe, waren meine Ansprüche in dieser Hinsicht recht hoch. Hier findet sich nur eine ganz grundlegende Einführung in das Thema, die nicht wirklich viele Informationen enthält.
Interessanter fand ich die Kapitel zu Persönlichkeit, Kommunikation und vor allem zu Gruppen. In diesen Bereichen hat sich die Autorin durchaus auch kritisch mit gängigen Konzepten auseinandergesetzt – in einem Umfang, der im Rahmen einer illustrierten Einführung eben möglich ist. Besonders spannend fand ich zum Beispiel einen Text über das Bindungshormon Oxytocin, das durchaus auch dunkle Seiten hat – es führt zwar dazu, dass innerhalb einer Gruppe ein stärkerer Zusammenhalt herrscht, Außenseiter oder Außenstehende aber stärker und oft sogar auf aggressive Weise abgelehnt werden.
Abgesehen von den erwähnten Schwächen, fand ich „Menschenkenntnis“ doch sehr interessant. Als Einführung in das Thema eignet es sich allemal.
Rita Carter: Menschenkenntnis -Verhaltensweisen entschlüsseln. Richtig kommunizieren
erschienen am 20. September 2019
www.edition-olms.com