Eva Schmidt: Die untalentierte Lügnerin

„Ja, dann, also wie immer alles bestens.“ – Eva Schmidt erzählt von einer jungen Frau und einer bröckelnden Familienfassade

„Die untalentierte Lügnerin“, das ist Maren Becker, ein Frau Anfang 20, die nach einer abgebrochenen Schauspielausbildung und dem Aufenthalt in einer Klinik wieder Fuß zu fassen versucht in ihrem eigenen Leben. Sie kehrt desillusioniert in ihre Heimatstadt an einem See – vermutlich Bregenz, wo auch Eva Schmidt lebt – zurück, wo auch ihre Mutter Vera und deren Lebensgefährte Robert wohnen. Robert, der Maren bereits als Kind adoptiert hat, ist Unternehmer und überlässt seiner Stieftochter eine Wohnung, die er einst für seine Seitensprünge genutzt hat. Vera hat als Künstlerin keinerlei Erfolge und verfällt in eine Depression, während Maren versucht, sich aus den vielfältigen Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen. Sie nimmt einen Job als Aufsicht in einem Museum an, doch die Arbeit langweilt sie: „Ich verbringe den Großteil meiner Zeit mit einer Arbeit, bei der ich nur herumsitze, lebe nach wie vor in Roberts Wohnung, schlafe mit den falschen Männern und bin nicht in der Lage, mir zu überlegen, wie mein Leben anders verlaufen könnte.“
Zunächst nimmt sie wieder Kontakt zu ihrem Ex-Freund auf, doch die beiden haben sich voneinander entfremdet. Alex, ein mäßig erfolgreicher Schauspieler spricht Maren in einem Café an und sie werden Freunde. Und dann gibt es noch Lisa, die selbst eine Menge Probleme mit ihrer Familie hat.
Zu ihren Brüdern, dem älteren Igor, der mit seiner Frau ein Hotel in Finnland betreibt und dem jüngeren Ruben, der sich für Vögel begeistert und Biologie studiert, hätte sie gerne ein besseres Verhältnis: „Was sollte sie ihm sonst sagen? Dass Robert die Wohnung vor Jahren gekauft hatte, um sich mit fremden Frauen zu treffen? Dass ihre Mutter nichts davon wusste? Dass es mit den Männern nicht klappte und sie Angst vor der Zukunft hatte? Dass sie sich unter ihrer Zukunft gar nichts vorstellen konnte? Dass sie traurig war, weil auch ihre Brüder nichts von ihr wissen wollten?“
Hin und wieder belügt Maren die Menschen in ihrem Umfeld, um ihre Ruhe zu haben. Gleichzeitig leidet sie massiv unter den Lügen innerhalb der zerrütteten Familie, die die Fassade aufrecht erhalten will: „Irgendwann hatte sich Maren zurückgelehnt. Das Telefon ein Stück vom Ohr weggehalten. Es waren nur noch Bruchstücke gewesen, die sie so gehört hatte, oder einzelne Wörter, aber es hatte ausgereicht, sich ihre Familie, die an diesem Abend neben einem glitzernden Tannenbaum vielleicht endgültig auseinandergebrochen war, vorzustellen.“
Auch ihre Freundin merkt, dass Maren nicht die Wahrheit sagt, wenn sie von ihrer Familie erzählt: „Ja, dann, sagte Lisa, also wie immer alles bestens.“
Die Situation verschlimmert sich zusehends und zuletzt trifft Maren eine Entscheidung.
„Die untalentierte Lügnerin“ ist ein Buch, das einen tristen Blick auf das Leben einer jungen Frau wirft. Perspektivlosigkeit paart sich mit Überforderung, Trostlosigkeit mit Unglück. Es ist ein realistischer Blick auf eine früh Gescheiterte, die sich treiben lässt, um ganz zum Schluss doch noch aktiv zu werden. Eva Schmidts Roman ist atmosphärisch dicht, nur ist die Atmosphäre eben ganz und gar nicht angenehm. Die Autorin verzichtet auf jegliche Ausschmückung. Die Sätze sind oft verkürzt, blitzlichtartig. Die Geschichte wird aus der Warte einer Beobachterin erzählt, die relativ nüchtern von zutiefst emotionalen Angelegenheiten berichtet. Man muss den Stil schon mögen. Ich fand ihn nicht schlecht, aber zu meinen Longlist-Favoriten zählt das Buch nicht.

Eva Schmidt: Die untalentierte Lügnerin
erschienen am 1. März 2019
www.jungundjung.at

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