„Die Digitalisierung ist ein Messer. Man kann damit töten oder Brot schneiden.“ (J. Hofmann)
Gestern ging die „Lernreise Digitalisierung“ in der Regensburger Innenstadt zu Ende. Nach einem Messebesuch (Leipzig, Würzburg, Essen, München) und einem Digital Meetup im November, fand die Abschlussveranstaltung, der Digital X-Change, im Degginger statt. Die Veranstaltung konnte kostenlos von allen Interessierten besucht werden, für die TeilnehmerInnen der Lernreise war die Abendveranstaltung Pflicht – allerdings eine sehr schöne!
Eröffnet wurde der Abend von Prof. Dr. Susanne Nonnast (Fakultät Betriebswirtschaft), die sich bei den drei studentischen Hilfskräften bedankte, die die Lernreise organisiert hatten. Anschließend kam Johann Hofmann (Founder and Venture Architect of ValueFacturing®) zu Wort. In seiner Keynote zum Thema „Vom Homo sapiens zum Homo digitalis“ erklärte er nicht nur, was die Digitalisierung für den Maschinenbau (er ist Mitarbeiter der Maschinenfabrik Reinhausen) bedeutet, sondern auch, was er von der Zukunft erwartet. Im Bereich Maschinenbau werden zusehends Assistenzsysteme genutzt, die Menschen (angeblich) nicht ersetzen, sondern den MitarbeiterInnen dienen sollen. Wie schwierig solche Change-Prozesse sein können, verdeutlichte der Referent anhand folgender Geschichte, in der der Bär für die Digitalisierung steht und die Waldtiere für die MitarbeiterInnen:
Der Bär hat eine Todesliste – das wussten alle Tiere des Waldes. Eines Tages ging das Reh zu ihm und fragte: „Bär, sag mal, steh ich auf deiner Todesliste?“ Der Bär brummte: „Jaaaa!“ Das Reh rannte davon und eine Woche später war es gefressen. Anschließend ging der Fuchs zum Bären und wollte wissen: „Hast du wirklich eine Todesliste?“ Und der Bär so: „Ja!“ Der Fuchs: „Uuuund? Steh ich drauf?“ Der Bär: „Ja!“ Eine Woche später war auch der Fuchs verputzt. Schließlich ging der Hase zum Bären: „Sag mal Bär, steh ich eigentlich auch auf dieser ominösen Todesliste?“ Der Bär: „Ja!“ Der Hase darauf: „Kannst du mich bitte streichen?“ Und der Bär so: „Ja, okay!“ Tja, wenn’s so einfach wäre… Natürlich sollte uns diese Geschichte vor Augen führen, dass jeder, der schön mitmacht, von der Digitalisierung nicht aufgefressen wird.
Die Zukunft sieht Herr Hofmann übrigens in der Weiterentwicklung der Augmented Reality (AR, dt. Erweiterte Realität), also der computergestützten Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Es ging um Hologramme und Holodecks, die es mittlerweile auch in Münchner Museen gibt. Dabei kann man z.B. mit einer VR-Brille Dinge erleben, die Angst oder andere Gefühle induzieren. Es gibt beispielsweise einen Raum, in dem lediglich ein Brett auf dem Boden liegt – mit der VR Brille wird eine Aufzugfahrt in Szene gesetzt, anschließend öffnet sich eine Häuserschlucht vor den Augen des Betrachters – das Brett ragt plötzlich in schwindelnden Höhen mitten ins Nichts hinein. Viele Menschen trauen sich keinen einzigen Schritt auf dem Brett zu, sie schwanken und leiden unter Höhenangst, obwohl ihnen eigentlich bewusst ist, dass es sich nur um eine virtuelle Realität handelt.
Herr Hofmann erwähnte immer wieder seine eigenen Vorträge (er hat zu gefühlt jedem Thema etwas gemacht, das jeweils auf 4.0 endet…). In einer seiner Keynotes geht es z.B. um Entschleunigung durch Digitalisierung, die uns ja zahlreiche Zeitgeschenke macht. Dass sie uns allerdings auch viel Zeit rauben kann, wird dabei vernachlässigt. Im Zusammenhang mit dem Thema „Entschleunigung“ erzählte der Referent auch von der Begegnung mit dem 25-jährigen österreichischen Unternehmer und Autor („Die Welt, die ihr nicht mehr versteht“) Samuel Koch, der ihn nach einem Vortrag in Wien ansprach und äußerte: „Die junge Generation findet Entschleunigung langweilig. Das fundamentale Problem besteht darin, dass die Beschleunigung eure Welt in Unordnung bringt, weshalb ihr euch ihretwegen lieber in kulturpessimistischen Abhandlungen ergeht.“ Dass ein Jungunternehmer hier für das Lebensgefühl einer ganzen Generation spricht, wurde nicht zur Debatte gestellt. Selbst unter den Studierenden, die jünger als Samuel Koch waren, ist Entschleunigung durchaus ein Thema.
Auf die Fragen aus dem Publikum reagierte Herr Hofmann souverän – nur eine Wortmeldung brachte ihn etwas aus dem Konzept. Ein Herr wollte wissen, wie es um die Versorgung psychisch kranker Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestellt wäre, die durchaus auch im Zusammenhang mit den Erfordernissen der Digitalisierung (wir erinnern und an den Bären!) stehen könnten. Hier wurde der Referent etwas unsicher, verwies darauf, dass das nicht sein Fachbereich wäre. Frau Nonnast reagierte sehr souverän und erläuterte, welche Möglichkeiten die OTH Regensburg in diesem Zusammenhang bieten würde.
Nach einer Pause ging’s weiter mit der Keynote von Severin Diepold (Managing Director Syskron X GmbH), der zum Thema „Digitalisierung: Treibstoff des Maschinenbaus“ sprach. Die Syskron X ist eine Tochter der Krones AG und hat sich auf Innovation spezialisiert, die im Maschinenbau dringend erforderlich ist. Dies verdeutlichte der Referent anhand eines Bildes, auf dem eine Reihe Menschen von einer Plattform aus auf eine Monsterwelle blickte – die Menschen, das sei der Maschinenbau in Deutschland, während die Monsterwelle stellvertretend für die Digitalisierung stünde.
Die zunehmende Automatisierung, die Traditionsfirmen teilweise in die Bredouille bringe, die geringen Kosten für die Gründung eines Start-ups in den USA – und in diesem Zusammenhang natürlich die Globalisierung -, sind echte Herausforderungen: „Der Wettlauf um die digitale Revolution der Industrie findet nicht, wie bisher, vornehmlich in Forschung und Entwicklung statt, sondern setzt vor allem auf die Geschwindigkeit des Transfers von neuen, digitalen Technologien in Produkte und Services.“
Das Prinzip der Vernetzung, die Konnektivität, bringe ganz neue Möglichkeiten mit sich. Hier zeigte Herr Diepold ein Balkendiagramm, das eindrücklich vor Augen führte, wie vernetzt wir heute sind und welche Konsequenzen dies hat. Eine Visualisierung der Zeitspanne, die es gebraucht hatte, um Nutzer zu erreichen, verdeutlichte, dass Welten zwischen dem Gestern und dem Heute liegen: Die Verbreitung der Technologie Telefon dauerte 50 Jahre, bei der Elektrizität dauerte es 46 Jahre, das Fernsehen benötigte 22 Jahre, Mobiltelefone 12 Jahre, das Internet sieben Jahre, Youtube vier Jahre, Twitter zwei Jahre und Pokémon Go zwei Tage…
Während viele von uns noch glaubten, dass wir immer noch die 4. (digitale) Revolution erleben würden, ging Herr Diepold von der anbrechenden 5. digitalen Revolution aus, bei der es nicht mehr so sehr um Datenverarbeitung, Sensortechnik, Cloud und Bandbreite ginge, sondern um Themen wie AI, AR & VR, Robotik und Blockchains usw.
In Zukunft hätten wir es mit drei geänderten Leitprinzipien zu tun:
„1. Aus „Hardware first“ wird „Software first“
2. Von „Made in Germany“ machen wir den Schritt zu „Operated by Germany“
3. Statt Leistungsspezifikation rückt die Experience an die erste Stelle.“
Die Fragerunde wurde zunächst nur zögerlich eröffnet, da ein roter Ball (eine Art Sprechstein) benutzt werden sollte – nachdem klar war, dass das nicht Pflicht war, wurden doch noch einige Fragen gestellt, etwa zu den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit, aber auch zur Datensicherheit.
Alles in allem waren es zwei unterhaltsame Keynotes zu einem ausgesprochen spannenden Thema.
Im Anschluss wurden noch Pizzastücke (eat as much as you can) und Zertifikate verteilt und beim lockeren Get-Together konnten die Teilnehmer sich mit MitstudentInnen und den Referenten unterhalten.
Ein absolut gelungenes Format!