Perle Parsberg #Ausgeflogen

Parsberg ist das coolere Regensburg – zumindest in einigen Punkten

In der ersten Ausflugskolumne geht es um das Parsberger Burgmuseum, das eine umfangreiche Sammlung beherbergt, die sehr viel mehr Aufmerksamkeit verdient! Eine Empfehlung für Regentage.

Türme im Gerüstkleid

Es ist möglich, sich in Parsberg zu verfahren. Das ist kein Witz. Mit einem Navi schafft es aber doch jeder, die Höhenburg, in der unter anderem das Burgmuseum untergebracht ist, zu finden.
Die Anlage, die erstmals im 13. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurde, wird zur Zeit renoviert und auch die schönen Türme sind eingerüstet. Zum Trost gibt es im Winter eine Schlittschuhbahn vor der Burg. Kostenlos und witterungsunabhängig. „Selbstschmierende Kunststoffeisplatten“ klingt vielleicht nicht schön, macht aber sogar bei Regenwetter sichtlich Spaß.

Das Geheimnis: selbstschmierende Kunststoffeisplatten

Im Museum steht eine Ordensschwester an der Kasse. Es ist nichts los und am Anfang ist noch nicht einmal das Licht in den Ausstellungsräumen an, obwohl das Museum bereits seit 20 Minuten geöffnet hat.
Die Ausstellung selbst ist der Wahnsinn. Kein Mensch würde in einer 7.000-Seelen-Stadt eine derart umfangreiche Sammlung, die sich ausschließlich der Region widmet, vermuten.
Im Erdgeschoss geht es um die Vor- und Frühgeschichte in der Region – „Parsberg vor 150 Millionen Jahren bis heute“. Auf einem Felsstück sitzen zwei gusseiserne Exemplare der Gattung Juravenator („Jäger des Juragebirges“). Bisher wurde erst ein einziges Exemplar eines Jungtieres gefunden, das in etwa so groß wie eine Gans war und zur Zeit des Kimmeridgiums vor 150 Millionen Jahren vermutlich im Meer ertrank, was damals in der Parsberger Gegend problemlos möglich war…
An der Wand hängt ein beachtliches Exemplar eines fossilen Ammoniten. Diese Kopffüßer starben – genau wie die Saurier – in der Kreidezeit aus.

Ein kolossaler Ammonit

In einem der sehr schön gestalteten Schaukästen zur Steinzeit und Bronzezeit findet sich auch eine prähistorische Abfallgrube aus einem Langhaus in Steinmühle (Ortsteil von Parsberg). Müll ist ja bekanntlich des Ärchäologen Glück und zerdepperte Keramik, Tierhaare sowie Metallschrott legen Zeugnis davon ab, dass Mülltrennung damals jedenfalls noch kein großes Thema war.


Die Mittelalterausstellung wird mit einer Ritterrüstung eröffnet – verdammt klein waren diese Ritter, so um die 1,57, würde ich jetzt mal tippen. An einer Multimediastation können sich Besucherinnen und Besucher über das Parsberger Geschlecht informieren.
Die umfrangreiche Handwerkerausstellung schließt sich an. Zahlreiche wichtige Handwerkskünste werden vorgestellt: den Anfang macht natürlich die Braukunst. Von der Schmiede aus führt eine Treppe in das 1. Obergeschoss, wo es u.a. um Maurer, Wagner, Zimmerer, Färber und Sattler geht. Kühl ist es an diesem Tag bei den Handwerkern. Aber bei derart harter körperlicher Arbeit haben sie sicher nicht so schnell gefroren…


Ein besonders beeindruckendes Ausstellungsstück ist ein Schulranzen von ca. 1960. Auf die Tasche „aus geprägtem Spaltleder über Pappe, mit Wollsamt und Baumwollfütterung“ ist ein Blumenmotiv gestickt – das Interessante daran: Es handelt sich um einen „Schulranzen für Buben“. Und im 21. Jahrhundert muss man sich fragen, warum zur Hölle Schultaschen heute so stark gegendert sind, dass Jungs mit Blumentasche vermutlich gemobbt werden würden.

Die kirchengeschichtliche Ausstellung ist ebenso opulent wie der ganze Rest. Es gibt viel zu sehen und zu bestaunen – alles vom eingefatschten Jesuskind bis hin zu künstlichen Geranien.
Durch den Flur, in dem es u.a. um die Alltagskultur geht, gelangt man in einen Raum, der dem Thema Kleiderkultur gewidmet ist. Hinter Glas ist eine typische Großfamilie dargestellt, mit einem Gruselkrabbelkind, das dazu in der Lage ist, viele Jahre durch die Träume des Betrachters zu spuken.


In einer historischen Schlafkammer gibt es in Schaukästen Utensilien für die Säuglingspflege und für Geburten zu sehen – und man ist froh, dass man im 21. Jahrhundert lebt und keine Bekanntschaft mit den gruseligen Gerätschaften machen musste.
Betritt man die Otto-Bachmaier-Ausstellung, die sich ein paar Räume weiter befindet, gefriert einem das Blut, wenn man den Blick über die Werke des Parsberger Malers schweifen lässt und dabei aus Versehen in den hinteren Ausstellungsraum schaut – da sitzt der Künstler höchstpersönlich und so lebensecht, als wäre er gerade einer Gruselgeschichte von Poe entsprungen. Dieser Anblick, bei dem mich beinahe der Schlag getroffen hat (es funktioniert übrigens auch dann, wenn man weiß, dass da eine lebensgroße Figur sitzt!), lässt mich sofort an die Krippe auf dem Lupburger Weihnachtsmarkt und an die Klapfenberger Weihnachtsköpfe denken. Gibt es in der Region ein Faible für Schaufensterpuppen? Könnte man vielleicht von einem Parsberger Puppenfetisch sprechen?


Bachmaiers Künstlerkarriere war, wie so viele Künstlerkarrieren, von einer gewissen Tragik geprägt. Ähnlich wie Wilhelm Busch litt der 1983 verstorbene „Ottl“ Zeit seines Lebens darunter, dass er künstlerisch unter seinen Möglichkeiten bleiben musste. Teile des Inventars seines Hauses sind im Museum ausgestellt. Ein ganzer Haufen Jerry-Cotton-Hefte aus dem Besitz des Bohemiens stapelt sich auf dem Boden – darunter ein Lesezirkelheft, das er vermutlich mal beim Arzt oder Friseur mitgenommen hat.


Durch das große Treppenhaus geht es dann noch ins 2. Obergeschoss. Dort ist die Ausstellung „Von Bismarck bis Hitler“ untergebracht – was für eine Sammlung! Selbst an der Decke sind Exponate befestigt. In Regensburg gibt es jedenfalls keine vergleichbare Sammlung, die der Öffentlichkeit zugänglich ist. Das Konzept des Parsberger Museums überzeugt voll und ganz. Die Ausstellungstexte sind so fundiert und ausführlich, dass man mehrere Tage im Museum verweilen müsste, um alles zu lesen.
Das Museum ist interessant und abwechslungsreich, selbst Kinder und Jugendliche finden problemlos einen Zugang.

Fazit: Kostenlose Parkplätze direkt vor der Burg, eine Schlittschuhbahn und eine Sammlung, die einem die Kinnlade runterklappen lässt – das kann Regensburg nicht, Parsberg aber schon. Also, nix wie hin!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.