Markus Kammermeier (Solution Architekt HR, T.CON) spricht über Change-Prozesse in Zeiten der Digitalisierung
Es liegt immer an den Menschen, wenn Projekte scheitern. Nie ist es die Technik, die Probleme bereitet. Okay, da kann man natürlich durchaus anderer Auffassung sein, vor allem, wenn man sich gerade so viel mit nutzerzentriertem Design beschäftigt, wie ich das gerade tue.
Die Fakultät für Informatik und Mathematik hatte Markus Kammermeier von T.CON aus Plattling eingeladen, zum Thema „In den Sand gesetzt! Drei Gründe, warum SAP-Projekte scheitern“ zu referieren. Der Vortrag war überaus interessant und unterhaltsam.
Im Lauf des vergangenen Jahres sorgten mehrere sehr bekannte Unternehmen für Aufsehen, die Rekordsummen in die Einführung von SAP investiert hatten und dann gescheitert waren. Prominentestes Beispiel war wohl Lidl. Der Discounter verbrannte mit „Elwis“ 500 Millionen Euro und blies die Sache schließlich ab. Haribo hatte Lieferengpässe und Verkaufseinbrüche – zeitweise waren die Goldbären nicht lieferbar -, weil Warenwirtschaft und Logistik nach Einführung einer SAP-Lösung für Probleme sorgten. Der Gummibärenhersteller hatte in verschiedenen Produktionsstätten unterschiedliche Software genutzt und teilweise noch mit IT-Lösungen aus den 1980er Jahren gearbeitet. Haribo zog die Sache allerdings durch – trotz eines dreistelligen Millionenverlustes. Otto scheiterte ebenfalls. Und das sind nur drei von zahlreichen Beispielen.
Das Problem, so der Vortragende, sei stets der Mensch, denn er benutze das, was man ihm gebe schlichtweg nicht oder nicht richtig. Wobei ich hier einwenden muss, dass oftmals auch die Lösung das Problem ist. Bei einer SAP-Lösung, die Thalia genutzt hat, wurden beispielsweise Kundenbestellungen nummerisch geordnet und nicht alphabetisch, was dazu führte, dass die Nummern für jeden Tag ausgedruckt werden mussten und erstmal der richtige Zettel vorhanden sein musste, wenn mehrere Kunden Bücher abholen wollten.
Der Vortrag bezog sich nicht explizit auf SAP-Projekte, sondern auf Projektmanagement generell. SAP ist das weltweit drittgrößte Softwareunternehmen, in Europa beziehungsweise außerhalb der USA sogar das größte. Es hat seinen Sitz im baden-württembergischen Walldorf, Aufsichtsratsvorsitzender ist Hasso Plattner, der Stifter des nach ihm benannten Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam, das sich u.a. auf die Ausbildung im Bereich Design Thinking spezialisiert hat. SAP steht für Systeme, Anwendungen und Produkte (in der Datenverarbeitung) und das Hauptprodukt des Unternehmens ist ein ERP-System (Enterprise-Resource-Planning). Im Grunde genommen gibt es für jeden Bereich eine Lösung, so dass beinahe jedes Unternehmen sich eine SAP-Lösung zusammenbasteln kann.
Was aber ist das Problem?
Hier ging Markus Kammermeier auf drei wesentliche Gründe für das Scheitern von Projekten (etwa der Einführung von SAP) ein.
1. Es gibt ständig neue Anforderungen – es muss ein Mehrwert generiert werden (sonst würde ein Projekt ja keinen Sinn machen), oder rechtliche Anforderungen (Gesetzesänderungen sind vor allem im Finanz- und Personalbereich extrem häufig) verlangen Änderungen, hinzu kommen Kundenanforderungen sowie sogenannte „Schleifchen“, das sind eigentlich nicht notwendige, aber von einigen als „schön“ erachtete Änderungen. Eine große Rolle spielen auch „Lokalfürsten“ und historische Anforderungen. Lokalfürsten sind Leute, die darauf pochen, dass etwas eingeführt wird (oder eben nicht eingeführt wird) und erst Ruhe geben, sobald sie in Rente sind.
Um einen besseren Umgang mit neuen Anforderungen zu ermöglichen, werden zusehends agile Methoden genutzt, zu denen u.a. Scrum und Design Thinking gehören.
Die klassische Denke im Projektmanagement geht davon aus, dass der Projektumfang fix ist und Zeit sowie Kosten geschätzt werden können. Dies entspricht einem Dreieck, bei dem sich der Scope (Projektumfang) oben befindet. Bei der agilen Denkweise, wird dieses Dreieck nun auf den Kopf gestellt – Kosten und Zeit sind nun fix und das, was rauskommt, ist zunächst noch ungewiss, was einen agilen Umgang mit Anforderungen möglich macht, aber auch bei vielen zunächst für Verunsicherung sorgt.
Grund Nummer 2 fürs Scheitern von Projekten lautet: „Zu viel auf einmal.“ Hierbei ist es hilfreich, wenn zunächst ein schmales Einführungsprojekt angeboten wird, das dann im Rahmen eines Optimierungsprojektes erweitert werden kann. Falsche Erwartungen sorgen nicht nur beim Projektmanagement, sondern auch im Alltag für Probleme, denn wer sich ein „Alles-wird-gut-System“ verspricht, kann nur enttäuscht werden. Bringe ich beispielsweise jemandem, der bereits seit Jahren mit dem Zweifingersystem schreibt, das 10-Finger-System bei, wird es unmittelbar nach der Umstellung zunächst zu Problemen kommen, die äußerst frustrierend sein können und viele zum Abbruch einer Sache bewegen, obwohl einfach nur eine längere Einführungsphase notwendig wäre. Der Ansatz, Prozesse, Methoden und Denkprinzipien zu verschlanken, ist Thema des „Lean Managements“.
Der dritte Grund fürs Scheitern lässt sich mit dem Satz „Die Landkarte ist nicht das Gebiet“ auf den Punkt bringen. Dabei geht es darum, dass stets unterschiedliche Sichtweisen vorhanden sind und wir nicht erwarten sollten, dass der Andere weiß, wovon ich rede. Zur Verbesserung des Verständnisses sind auch Schaubilder und Grafiken (Prozesscharts) sehr hilfreich, aber auch wiederholtes Nachfragen. Dazu gibt es beispielsweise die „5-Why-Methode“ (oft auch „7-Why-Methode“), bei der fünf bzw. sieben Mal „Warum?“ gefragt wird. Wenngleich sich das erstmal nervig anhören mag – es kann doch sehr hilfreich sein, wie der bekannte Sketch „Die Kuh Elsa“ mit Didi Hallervorden eindrucksvoll aufzeigt (Video in den Kommentaren).
Deutlich wurde auch, dass stets die Maxime bedacht werden sollte: „Haltung schlägt Methode“ – bei Peter Drucker fand ich’s kürzlich noch schöner ausgedrückt: „Culture eats Strategy for breakfast“. Nur, wenn Veränderungen „das neue Normal“ werden, kann Entwicklung stattfinden. Dazu wurde etwas tiefergehend auf Change Management eingegangen, bei dem es im Wesentlichen um Kommunikation geht, beziehungsweise darum, Bilder im Kopf des Anderen zu erzeugen.
Die Themen „Scheitern“ und „agile Softwareentwicklung“ fand ich bereits vorher schon sehr interessant. Der Vortrag hat mich dazu veranlasst, mich vertieft mit der Materie auseinanderzusetzen. Ach ja – und Pizza gab’s auch noch!