Charles Lewinsky: Einmal Erde und zurück

Kleiner Prinz trifft Sams und Benjamin Button

„Einmal Erde und zurück“ erzählt die Geschichte von Michell, einem 499 Jahre alten Kind von einem fremden Planeten, das eines Tages in das Leben des Erzählers – von Beruf übrigens Schriftsteller – tritt. Durch eine Wand. Das Ganze erinnert schon recht deutlich an Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“, aber das Kind aus Charles Lewinskys Geschichte ist doch auch anders als der Junge aus dem Kunstmärchen von 1943. Michell ist weder Junge noch Mädchen, daher gibt ihm der Ich-Erzähler auch einen Namen, der zu beiden Geschlechtern passt. Zudem ist das Kind stolze 499 Jahre alt – auf seinem Planeten altern die Menschen nämlich, genau wie Fitzgeralds Benjamin Button, rückwärts. In jungen Jahren sind es erwachsene Blödmänner, die mit dem Alter immer kindlicher und damit weiser werden. Und dann ist das alte Kind auch noch sehr vorwitzig, nimmt alles wörtlich und beherrscht diverse Fähigkeiten, die dem menschlichen Verstand einiges abverlangen: Es kann durch Wände gehen, die Zeit rückwärtsdrehen, mit Tieren und Pflanzen sprechen und trägt „lebendige“ T-Shirts, die an das Harry-Potter-Universum erinnern. Seine Gewitztheit und das Wörtlichnehmen von metaphorischer Rede erinnern an das Sams. Lewinskys Geschichte ist witziger als „Der kleine Prinz“. Und wie man sieht, steckt eine Menge drin, was Kindern und natürlich auch Erwachsenen Spaß macht, zum Beispiel Wortwitze und auch Gesellschaftskritik. Michell ist ein Anarchist. Es macht den Bürgermeister, der sich als Umweltsau entpuppt, fertig, befreit Zootiere und hilft einem Bettler. Jeder Konflikt mit Machthabern wird mutig ausgetragen – und der erwachsene Erzähler stößt immer wieder an die Grenzen seines Verstandes, der von Konventionen überformt ist, aber zusehends befreit wird. Es ist eine verkehrte Welt, die dargestellt wird – so etwas macht fast immer Spaß! Das alte Kind ermöglicht es uns vor allem, auf uns selbst zu blicken. Wie denken wir über Geld und über Leistung? Wie gehen wir mit unserer Umwelt um und was ist eigentlich aus unserer kindlichen Neugierde geworden?
„Einmal Erde und zurück“ ist ein schönes Buch über die Menschen aus Sicht eines Fremden, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Ganz unangepasst ist Michell auch nicht – Sams und Pippi Langstrumpf sind da schon deutlich nonkonformistischer. Das alte Kind vereint wohl all das, was wir uns für uns wünschen würden: Moral, Neugierde, Mut und Witz. Meine Tochter fand vor allem die Wortwitze toll. Ich kann die Lektüre für Groß und Klein empfehlen!

Charles Lewinsky: Einmal Erde und zurück
erschienen am 25. September 2019
www.diogenes.ch

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